Das Verschwinden eines Menschen stellt eine mehrfache Menschenrechtsverletzung dar. Derartige Verletzungen sind nicht auf die Rechte der Vermissten beschränkt, sondern betreffen auch die Rechte ihrer Familien. Diejenigen, die dieses Verbrechen begehen, sind nicht nur für das Verschwinden der Vermissten, sondern auch für die Verewigung des Leids ihrer Familien schuldig, indem sie Informationen über das Schicksal ihrer Verwandten nicht offenlegen.
Griechisch-zypriotische und griechische Vermisste der türkischen Invasion
Die schlimmste Konsequenz der türkischen Invasion von 1974 ist aus menschlicher Sicht das humanitäre Problem der Vermissten und ihrer Familien. Während und nach der türkischen Invasion wurden tausende griechische Zyprioten von der türkischen Armee und von türkisch-zypriotischen paramilitärischen Organisationen verhaftet und in Konzentrationslagern in Zypern festgehalten. Weiterhin wurden mehr als 2000 Kriegsgefangene illegal in die Türkei transportiert und in türkischen Gefängnissen festgehalten. Einige von ihnen wurden nicht freigelassen und bleiben weiterhin vermisst. Hunderte weitere griechisch-zypriotische Soldaten und Zivilisten (darunter alte Leute, Frauen und Kinder) verschwanden in den türkisch besetzten Gebieten. Über all diese Fälle gibt es gut dokumentierte Zeugenaussagen, wonach sich die Vermissten in den Händen der türkischen Armee oder in den Händen türkischer Zyprioten befanden, welche unter der Verantwortung der türkischen Armee agierten.
Die Rolle des Ausschusses für Vermisste (CMP)
Der Ausschuss für Vermisste (Commitee on Missing Persons) in Zypern arbeitet unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen. Sein jetziges Mandat besteht darin, 1468 Fälle griechisch-zypriotischer und griechischer sowie 502 Fälle türkisch-zypriotischer Vermisster zu untersuchen. Der CMP wurde 1981 gemäß den entsprechenden Resolutionen der Vollversammlung der Vereinten Nationen (Resolution 3450 (XXX) vom 9.12.1975, Resolution 32/128 vom 16.12.1977, Resolution 33/172 vom 20.12.1978) gegründet.
Der CMP ist ein dreigliedriger bi-kommunaler Untersuchungsausschuss. Er besteht aus einem Vertreter der griechisch-zypriotischen und der türkisch-zypriotischen Gemeinschaft sowie einem dritten Mitglied, das vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) nominiert und vom UN-Generalsekretär ernannt wird. Der Ausschuss, welcher unter der Schirmherrschaft und mit der Teilnahme der Vereinten Nationen agiert, hat die Aufgabe, das Schicksal der Vermissten in Zypern zu untersuchen und zu klären.
Der UN-Generalsekretär ernannte am 15. Juni 1998 den Botschafter Jean-Pierre Ritter als drittes Mitglied des Ausschusses für Vermisste; eine Stelle, die er bis zu seinem Tod am 17. Jänner 2000 innehatte. Sein Nachfolger war Pierre Guberan, der ad interim als das dritte Mitglied des CMP bis zu seiner Pensionierung am 31. Dezember 2005 diente. Während des Großteils dieses Zeitraums war der Ausschuss aufgrund des Mangels an Kooperationsbereitschaft der türkisch-zypriotischen Seite ins Stocken geraten (Resolutionen der UN-Vollversammlung 36/164 vom 16.12.1981 und vom 37/181 vom 17.12.1982).
Vorschlag von Amnesty International bezüglich der zypriotischen Vermissten
Im August 1996 legte Amnesty International einen Vorschlag zur Schaffung eines wirksamen Untersuchungsausschusses vor, um Fälle von Verschwundenen und willkürlicher Ermordungen zu untersuchen. Da der CMP an seiner Aufgabe gescheitert war, das Schicksal der Vermissten zu klären, empfahl Amnesty International, dass der UN-Generalsekretär den vorgenannten Ausschuss, welcher die internationalen Standards bei der Untersuchung verschiedener Fälle vollkommen erfüllen würde, sofort einsetzen sollte. Außerdem sollte der Ausschuss laut dem Vorschlag von Amnesty sicherstellen, dass die für diese Verbrechen Verantwortlichen vor Gericht gebracht würden und dass die Opfer oder ihre Verwandten gerecht und angemessen entschädigt würden.
Das Abkommen zwischen dem Präsidenten Glafkos Klerides und dem türkisch-zypriotischen Führer Rauf Denktash am 31. Juli 1997
Am 31. Juli 1997 schlossen der Präsident der Republik Zypern Glafkos Klerides und der damalige Führer der türkisch-zypriotischen Gemeinschaft in Anwesenheit des Chefs der UN-Friedensmission in Zypern ein Abkommen über die Vermissten ab.
Beide Führer erklärten ihren Respekt vor dem Recht der Familien der Vermissten, überzeugend und schlüssig über das Schicksal ihrer Verwandten informiert zu werden. Des Weiteren erkannten sie das Recht der Familien an, deren Mitglieder nachweislich tot waren, die sterblichen Überreste ihrer Angehörigen für eine angemessene Beerdigung zu erhalten.
Die Vertreter beider Seiten, welche für die Umsetzung des Abkommens ernannt wurden, trafen sich zweimal zusammen. Bei diesen zwei Sitzungen tauschten sie erste Informationen über die Begräbnisstätten aus. Bedauerlicherweise verlangte während der zweiten Sitzung der türkisch-zypriotische Vertreter einige Vorbedingungen, die im Abkommen nicht vorgesehen waren. Aus diesem Grund wurde die weitere Umsetzung des Abkommens unmöglich. Das wird im Bericht des UN-Generalsekretärs über den Einsatz der Vereinten Nationen in Zypern für den Zeitraum vom 8. Dezember 1997 bis 8. Juni 1998 erwähnt. In diesem Bericht wird eindeutig festgelegt, dass aufgrund der Position der türkisch-zypriotischen Seite keine Fortschritte bezüglich Erfüllung des Abkommens vom 31. Juli 1997 erreicht wurden.
Einseitige humanitäre Maßnahmen der Regierung der Republik Zypern
Angesichts des Mangels an Fortschritt bei der Umsetzung verschiedener Abkommen zur Bewältigung der Vermisstenproblematik, traf die zypriotische Regierung eine Reihe von humanitären Maßnahmen.
Im Sommer 1999 führte die internationale NGO „Ärzte für Menschenrechte“ Exhumierungen in zwei Friedhöfen in Nikosia durch. Als Ergebnis dieser Anstrengungen wurden 24 Vermissten mittels einer DNA-analytischen Untersuchung identifiziert. Diese Exhumierungen wurden aus rein humanitären Gründen durchgeführt, um die legitimen Rechte der betroffenen Familien zu erfüllen und ihre Agonie zu beenden.
Am 4. Mai 2000 traf die Regierung der Republik Zypern folgende Entscheidung: Die Familien von 126 Vermissten, deren Namen dem Ausschuss für Vermisste nicht vorgelegt worden waren, sollten sowohl über die Inhalte der entsprechenden Akten als auch über die Gründe, warum sie in die entsprechenden Listen nicht aufgenommen worden waren, informiert werden. Die Untersuchungen über diese Fälle werden bis heute von den zuständigen Behörden der Republik Zypern weitergeführt.
Weiterhin beschloss die Regierung, die Namenliste der Personen, die vermisst bleiben, zu veröffentlichen. Die Namenliste der Vermissten wurde offiziell am 10. Juli 2000 im Amtsblatt der Regierung der Republik Zypern veröffentlicht.
Zusätzlich beschloss der zypriotische Ministerrat einen staatlichen Ausschuss zu schaffen, dessen Auftrag es ist, Listen mit allen griechischen Zyprioten und Griechen zu schaffen, die während oder aufgrund des Putsches und der türkischen Invasion im Jahre 1974 starben. Die entsprechenden Listen wurden in der Presse veröffentlicht.
Maßnahmen zur Klärung des Schicksals von türkisch-zypriotischen Vermissten
Am 12. Mai 2003 veröffentlichte die Regierung im Amtsblatt der Republik Zypern die Liste mit den Namen der türkisch-zypriotischen Vermissten. Am 5. Juni 2003 teilte die Regierung der Republik Zypern den Familien der türkisch-zypriotischen Vermissten mit, dass sie Zugriff auf die Informationen über die bisherigen Untersuchungen und auf irgendwelche Ergebnisse bezüglich der Klärung des Schicksals ihrer vermissten Verwandten haben dürfen.
Informationen der zuständigen staatlichen Behörden in Bezug auf das Schicksal und die Beerdigungsorte der 201 türkischen Zyprioten im Zeitraum von 1963-1967 und von 1974 wurden offiziell dem IKRK übermittelt.
Am 6. Dezember 2002 wurde eine explorative Ausgrabung in einem Begräbnisort im Dorf Alaminos im Bezirk von Larnaka, wo es Überreste türkisch-zypriotischer Vermissten gab, von einem Team der NGO „Ärzte ohne Grenzen“ durchgeführt.
Die Regierung hat Vorkehrungen getroffen, damit eine DNA-Bank sowie eine Datenbank erstellt wird, die Informationen von den Angehörigen der Vermissten türkischer Zyprioten und weiterer Personen enthält, die im Zeitraum 1963-1967 und im Jahre 1974 starben. Dadurch sollen die Bemühungen zur Untersuchung des Schicksals der Vermissten gestärkt werden, damit sie angemessen und im Einklang mit den religiösen Sitten und den Traditionen der betroffenen Familien beerdigt werden können.
Amerikanische Vermisste der türkischen Invasion
Unter den Vermissten der türkischen Invasion gab es auch fünf amerikanische Staatsbürger zypriotischer Abstammung. Diese fünf Fälle sind dem CMP vorgelegt worden. Auf der Grundlage eines Beschlusses des US-Kongresses vom 19. Oktober 1994 über die amerikanischen Vermissten in Zypern, der vom damaligen US-Präsidenten unterzeichnet wurde, beauftragte das Weiße Haus das amerikanische Außenministerium, eine Untersuchung über deren Schicksal durchzuführen; eine Aufgabe, die dem Botschafter Robert Dillon zugewiesen wurde. Im Mai 1998 unterzeichnete und legte Präsident Bill Clinton dem Kongress den entsprechenden Bericht vor. Laut dem sogenannten Dillon-Bericht hatte die Untersuchung das Schicksal von einem der fünf vermissten amerikanischen Staatsbürger zweifelsfrei festgestellt. Es handelte sich um Andreas Kassapis, dessen Überreste mittels einer DNA-Untersuchung identifiziert und seiner Familie für eine Beerdigung am 22. Juni 1998 übergeben wurden.
Am Ende des Dillon-Berichtes wird festgelegt, dass die amerikanische Regierung jegliche weiteren Informationen über das Schicksal ihrer Staatsbürger beobachten wird. Auf der Grundlage dieser Erklärung forderte die zypriotische Regierung die komplette Umsetzung des Kongressbeschlusses von 1994 über die übriggebliebenen amerikanischen Vermissten sowie den Abschluss der Untersuchungen, damit ihr Schicksal wie beim Fall Kassapis angemessen geklärt wird.
Letzte Entwicklungen
Nach den Bemühungen und den einseitigen Maßnahmen der griechisch-zypriotischen Regierung bezüglich der Vermisstenfrage sowie aufgrund des Abkommens vom 31. Juli hat der UN-Generalsekretär sein Interesse an der Vermisstenproblematik Zyperns erneut bestätigt. Der UN-Generalsekretär schickte im Dezember 2003 und im August 2004 dem Staatspräsidenten der Republik Zypern und dem türkisch-zypriotischen Führer ein Schreiben mit den entsprechenden Vorschlägen zu. Das Ziel der Vorschläge des Staatspräsidenten war es, zum Erfolg der Bemühungen des Generalsekretärs beizutragen sowie einen weiteren Schritt zur Bewältigung dieses humanitären Problems zu gehen.
Der Staatspräsident der Republik Zypern hat in seinem Antwortschreiben an den Generalsekretär betont, dass er die Vorschläge annahm und wies darauf hin, dass die griechisch-zypriotische Seite alles Mögliche für deren Umsetzung tun würde. Überdies äußerte die zypriotische Regierung ihre Dankbarkeit gegenüber dem UN-Generalsekretär für sein Interesse und seine Bemühungen zur Lösung des Problems zugunsten der Familien und für die vollkommene Befriedigung ihrer Menschenrechte.
Die Reaktivierung des Ausschusses für Vermisste
Nach fünfjähriger Untätigkeit wurde der Ausschuss für Vermisste am 30. August 2004 reaktiviert. Laut der Presseaussendung des Komitees vom 30. August 2004 bestätigten die griechisch- und die türkisch-zypriotischen Mitglieder des Ausschusses erneut ihr uneingeschränktes Engagement sowie ihr oberstes Ziel, nämlich das humanitäre Problem, das Familien in beiden Gemeinschaften gleichermaßen betrifft, zu bewältigen.
Am 14. April 2006 teilte die UNO seinen Beschluss mit, ein neues Drittes Mitglied des CMP zu ernennen. Der UN-Sicherheitsrat wiederholte in seiner Resolution 1687/2006, die am 15. Juni 2006 angenommen wurde, seine Aufforderung „die humanitäre Frage der Vermissten mit der gebährenden Dringlichkeit und Ernsthaftigkeit zu bewerten und zu regeln“. Darüber hinaus begrüßte er, „dass der Ausschuss für Vermisste in Zypern im August 2004 seine Tätigkeit wieder aufgenommen hat und dass der Generalsekretär ein drittes Mitglied ernannt hat, das sein Amt im Juli 2006 antreten wird“.
Der Schweizer Christoph Girot, der beim Internationalen Roten Kreuz in vielen Teilen der Welt gedient hatte, übernahm offiziell sein Amt als Drittes Mitglied des CMP am 3. Juli 2006.
Der CMP hat bereits eine Anzahl von Exhumierungen durchgeführt. Sein neues anthropologisches Labor wurde fertiggestellt und ausgerüstet und hat damit begonnen, die exhumierten Überreste zu analysieren. Die archäologische und anthropologische wissenschaftliche Arbeit wird unter Anleitung der internationalen Gruppe EAAF geleistet. Andererseits werden die genetischen Analysen sowie die Identifizierung von Skelettüberresten mittels einer DNA-Methode in den Labors des zypriotischen Institutes für Neurologie und Genetik durchgeführt.
Die Regierung der Republik Zypern drückte ihre Unterstützung für die Tätigkeit des CMP aus, indem sie ihre Finanzierung erweiterte. Seit September 2005 wurden dem CMP ungefähr €700.000 gegeben. Gleichzeitig plant die Regierung, in den kommenden Jahren ihren Beitrag weiter zu erhöhen.
Außerdem weckte die Reaktivierung des CMP das Interesse europäischer Länder, zu dieser humanitären Arbeit beizutragen. Großbritannien hat $50.0000 beigetragen und zudem eine Spende von £45.000 geleistet. Die deutsche Bundesregierung unterstützte den CMP mit €100.000 für Ausgrabungen und Identifizierungen. Die neuen Aktivitäten des CMP, welcher durch die Ernennung von Christoph Girod als sein drittes Mitglied verstärkt wurde, ist ein wichtiger Schritt zur Klärung des Schicksals der zypriotischen Vermissten. Bedauerlicherweise sind die CMP-Untersuchungen nur auf Zypern beschränkt, ohne dass sie auf die Türkei ausgeweitet werden, obwohl es eindeutig belegt ist, dass einige Vermisste, nachdem sie von den Besatzungsmächten verhaftet worden waren, in die Türkei transportiert und dort festgehalten wurden.
Die zypriotische Regierung begrüßt die Reaktivierung des CMP und hofft, dass seine Tätigkeit etwas Licht auf das humanitäre Problem der Vermissten werfen wird. Parallel dazu betont die Regierung, dass das Mandat des CMP es ihm nicht ermöglicht, wirksame Untersuchungen zu leiten. Die Regierung ersucht daher die Völkergemeinschaft und insbesondere die UNO, dass auf die Türkei der notwendige Druck ausgeübt wird, damit sofortige und wirksame Untersuchungen zur Klärung des Schicksals der Vermissten durchführt werden können, wie es im entsprechenden Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR) festgehalten wurde (siehe unten).
Urteil des EMGR vom 12. Mai 2001
Die Europäische Menschenrechtskommission hat die Frage der Vermissten nach vier Staatenbeschwerden der Republik Zypern gegen die Türkei geprüft (Beschwerden 6780/74, 6950/75, 8007/77, 25781/94). Die Berichte der Europäischen Menschenrechtskommission, welche 1976, 1983 und 1999 verabschiedet wurden, betonten, dass die Türkei gegen grundsätzliche Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen hatte.
Bezüglich der 4. Staatenbeschwerde der Republik Zypern gegen die Türkei (Nr. 25781/94) stellte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof am 12. Mai 2001 fest, dass die türkischen Behörden keine Behauptungen von Angehörigen der Vermissten untersucht hatten, wonach Vermisste nach ihrer Haft unter wirklich Besorgnis erregenden Umständen verschwanden. Der EGMR erkannte, dass die Türkei, indem sie keine wirksamen Untersuchungen über das Schicksal der griechisch-zypriotischen Vermissten anstellte, eine Verfahrenspflicht unter dem Artikel 5 der EMRK über den Schutz des Rechtes am Leben kontinuierlich verletzte. Darüber hinaus stellte der Gerichtshof fest, dass diese Unterlassung der Republik Türkei auch eine kontinuierliche Verletzung von Artikel 5 EMRK in Bezug auf alle Vermissten darstellte, die sich zum Zeitpunkt ihres Verschwindens in Haft befanden. Laut dem EGMR „hat das Schweigen der türkischen Behörden gegenüber den Angehörigen ein Niveau erreicht, das nur als unmenschliche Behandlung bewertet werden könnte“.
Aufgrund der mangelhaften Umsetzung seitens der Türkei verabschiedete das Ministerkomitee des Europarates am 7. Juni 2005 seinen ersten Interim-Entschluss.
Diese Interim-Resolution forderte unter anderen wirksame Maßnahmen der Türkei, um das ungelöste humanitäre Problem der Vermissten 30 Jahre nach der türkischen Invasion zu bewältigen. Die Resolution:
· fordert die Türkei auf, ihre Anstrengungen zur vollständigen Vollstreckung des Urteils zu intensivieren.
· unterstreicht die Dringlichkeit, dass konkrete Ergebnisse durch wirksame Untersuchungen bezüglich des Schicksals der Vermissten erreicht werden,
· entscheidet, die Überwachung des Fortschrittes weiterzuführen, bis alle notwendigen Maßnahmen getroffen worden sind.
Um es zu vermeiden, dem Urteil des EMGR nachzukommen, hat die Türkei immer wieder auf die Arbeit des CMP hingewiesen, welcher 1981 im Einklang mit den entsprechenden Resolutionen der UN-Vollversammlung gegründet worden war. Jedoch hatten sowohl die Menschenrechtskommission in ihrem Bericht als auch der EGMR festgelegt, dass der CMP kein genügendes Medium darstellte, innerhalb dessen eine wirksame Untersuchung durchgeführt werden könnte.
In ihrer Argumentation stellt die Türkei den CMP als einen Ersatz für den Mechanismus dar, welchen sie selbst einzurichten verpflichtet ist. Bedauerlicherweise versucht die Türkei noch immer mit dieser Position, ihren Pflichten nicht nachzukommen.
In diesem Rahmen weist die Interim-Resolution darauf hin, dass der Gerichtshof in seinem Urteil zu der von Zypern gegen die Türkei erhobenen Staatsbeschwerde festgestellt hatte, dass die Pflichten der Türkei durch ihren Beitrag zu den Untersuchungsarbeiten des CMP nicht erfüllt werden können.
Auf die Interim Resolution wird im Bericht des UN-Generalsekretärs über die Menschenrechte in Zypern, der im Einklang mit dem Beschluss der Menschenrechtskommission 2005/103 (E/CN/2006/31) vom 27. März 2006 vorgelegt wurde, hingewiesen.
Die Politik der zypriotischen Regierung
Die Regierung verfolgt das Ziel, das Schicksal von allen Vermissten auf der Grundlage von konkreten und überprüfbaren Beweisen zu klären. Daher ist der Begriff der „Todesvermutung“ für die Lösung dieses humanitären Problems für die Regierung der Republik Zypern unakzeptabel. Ein solcher Begriff ist mit den humanitären Prinzipien und der humanitären Praxis unvereinbar, weil er die legitimen Rechte der Familien nicht zufriedenstellen kann, über das Schicksal der Angehörigen überzeugend informiert zu werden und die sterblichen Überreste zu einer angemessenen Beerdigung zu erhalten.
Dieser Ansatz betrifft nicht nur die griechischen, sondern auch die türkischen Zyprioten. Der Außenminister der Republik Zypern Ioannis Kasoulides bestätigte 2001 die Bereitschaft der Regierung, mit den Exhumierungen türkischer Zyprioten fortzufahren, welche während der Invasion von 1974 getötet und in unter der Kontrolle der zypriotischen Regierung stehenden Gebieten beerdigt wurden. Weiterhin ersuchte Außenminister Kasoulides die Verwandten der türkisch-zypriotischen Vermissten, Blutproben und Ante-Mortem-Informationen zu geben, um den Wissenschaftlern bei der Identifizierung von Überresten mittels DNA-analytischen Untersuchungen zu helfen. Der türkisch-zypriotischer Führer Rauf Denktash sagte aber, dass die türkischen Zyprioten kein Blut, „nicht einmal ein Stäubchen“ zu diesem Zweck geben würden (Zeitung „Yeni Demokrat“, 26.06.2001).
Unabhängig von der negativen Einstellung der türkischen Seite zeigt die Regierung der Republik Zypern ihre positiven Absichten tatsächlich, indem sie unilaterale Maßnahmen trifft sowie die Aktivitäten des CMP unterstützt.
Die Regierung appelliert an alle Betroffenen für ihre Zusammenarbeit, vor allem an die türkische Regierung, die als das Land, welches gemäß dem entsprechenden Urteil für das Verschwinden der Vermissten verantwortlich ist und über alle Beweise und Informationen in Bezug auf ihr Schicksal verfügen muss. Die Türkei hat nicht nur die rechtliche sondern auch die moralische Verantwortung, bei den Bemühungen zu kooperieren, um die Menschenrechte und die Menschenwürde der Familien der Vermissten wiederherzustellen.
Die Regierung der Republik Zypern glaubt, dass es an der Zeit ist, dass das Ministerkomitee des Europarates eine aktivere Rolle übernimmt und strikte Fristen setzt, Informationen verlangt sowie konkrete Schritte festlegt, damit die Türkei dem Urteil des EMGR nachkommt. Das Ministerkomitee sollte deswegen in dieser Phase die Türkei auffordern:
1. Listen mit der gesamten Anzahl griechisch-zypriotischer Kriegsgefangenen zu liefern, die in die Türkei transportiert wurden und nicht nur Listen, die nur die Anzahl derjenigen Kriegsgefangenen enthalten, die aus den türkischen Gefängnissen freigelassen und in Anwesenheit des IKRK nach Zypern zurückgeführt wurden und in den IKEK-Listen genannt sind.
2. Konkrete Informationen über die Fälle der griechisch-zypriotischen Kriegsgefangenen, die in den Dokumenten des IKRK genannt werden und über die bisher keine überzeugende Antworten gegeben worden sind.
3. Konkrete Informationen über die Kriegsgefangenen, welche verhaftet und anschließend in die Türkei transportiert wurden, vor der vollen Aktivierung des IKRK.
4. Berichte zu liefern, die von der türkischen Armee im Jahre 1974 verfasst wurden, sowie Informationen über die Anzahl der Kriegsgefangenen, die in die Türkei transportiert und dort festgehalten wurden.
5. Internationale Organisationen mit Berichten der türkischen Armee zu versorgen, welche Informationen über die “Säuberung” der Kriegsgebiete einschließlich der Beweise über die Anzahl der gestorbenen griechischen Zyprioten und die Anzahl der griechisch-zypriotischen Kriegsgefangenen beinhalten.
6. Berichte der türkischen Armee mit Informationen zu liefern, über die Anzahl der griechischen Zyprioten und der griechischen Offiziere, die 1974 gestorben oder verhaftet wurden.
7. Informationen über die Anzahl der Kriegsgefangenen, die in Gefängnissen der Türkei festgehalten und in türkische Krankenhäuser aus medizinischen Gründen transportiert wurden.
8. Fotos von jedem griechischen Zyprioten, der in die Türkei transportiert und festgehalten wurde. Laut Berichten griechisch-zypriotischer Gefangener, die in Gefängnissen des türkischen Festlands festgehalten und dann freigelassen und zurück nach Zypern transportiert wurden, nahm die Türkei zwei Fotos von jedem Kriegsgefangenen auf.
Wenn die Türkei noch einmal diese Forderungen ignorieren sollte, glaubt die Republik Zypern, dass es dann erforderlich ist, einen Prozess zu etablieren, welchen die Türkei unter der engen Betreuung und Kontrolle des Komitees stellen sollte, um eine sofortige und wirksame Untersuchung über das Schicksal der Vermissten durchzuführen.
Mai 2006